Wer heutzutage Kurzfilme dreht findet meistens seine Festivals und die ein oder andere Nische, in die der 6- oder auch mal 25-minüter problemlos hineinpasst. Der Begriff mittellanger Film jedoch läuft einem egal ob Alltag oder speziell in der Filmwelt seltener bis gar nicht über dem Weg. Wir wollen dem auf dem Spur gehen, und mehr über dieses Format erfahren, was laut Marisa Winter von mittelang.com in der Filmwelt nicht nur seine daseins Berechtigung hat, sondern auch viel mehr Aufmersamkeit und Förderung verdient hat.
Foto via mittelang
Wie grenzt Ihr den Bereich des mittellangen Films für euch ein?
Das Naheliegendste wäre natürlich nach Länge, so machen es auch viele Festivals, wo dieses Format zwischen ca. 25 – 60 Minuten definiert wird. Aber das greift unserer Meinung nach zu kurz, denn wir haben da schon viele Ausnahmen erlebt. Ob ein Film noch ein Kurzfilm oder schon ein mittellanger ist, hängt weniger von der Länge ab als vielmehr von der Art und Weise, wie er etwas erzählt. Kurzfilme sind konsequent auf Plots und Pointen konzipiert, mittellange streben hingegen eine dichtere Erzählweise an, legen Wert auf Details und Atmosphäre und erlauben es ihren Charakteren, eine Entwicklung durchzumachen.
Wo begegnet einem der Mittellange Film heute noch?
Sofern man auch Serien mitrechnet eigentlich überall außer im Kino: also im Fernsehen, auf Netflix, Amazon, Sky, Maxdome etc. So gesehen ist das Format sogar das populärste überhaupt. Natürlich kann man jetzt entgegnen, dass episodisches Erzählen nicht mit abgeschlossenen Filmen verglichen werden kann, aber es gibt ja auch Anthologie-Serien wie aktuell z.B. „Black Mirror“, wo jede Episode eine in sich abgeschlossene Handlung mit eigenen Charakteren hat. Was „echte“ mittellange Filme angeht, die sind freilich schwerer auszumachen, sie werden in Deutschland – sofern Fernsehsender an der Produktion beteiligt waren, was häufig bei Hochschulfilmen der Fall ist – leider im Nachtprogramm unter Ausschluss der Öffentlichkeit versendet und sind auch danach nur maximal 7 Tage in der Mediathek abrufbar. War kein Sender beteiligt – und das sind oft sogar die interessanteren Filme – kann man sie jenseits von Filmfestivals leider kaum sehen, es sei denn die Produktion entschließt sich dazu, sie danach dem Publikum auf Youtube oder Vimeo frei zugänglich zu machen.
Welche Optionen bietet das Format Filmemachern*Innen?
Es bietet den Filmemachern die Freiheit, jenseits eines zeitlichen Korsetts, das z.B. Sendeplätze oft vorgeben, zu erzählen. Wir sind der Meinung, jeder Film sollte genau so lang sein, wie er sein muss, nicht kürzer aber auch nicht länger. Hier bietet das mittellange Format gerade jungen Filmemachern, die erzählerisch noch keine epischen Längen beschreiten wollen, die besten Voraussetzungen. Aber auch mancher Langfilm wäre vielleicht besser geraten, wenn er konsequenter auf Erzählökonomie geachtet hätte und kürzer wäre. Im Zeitalter des wesentlich günstiger gewordenen digitalen Filmemachens, wo die Idee mehr zählen kann als der production value, wo man mit einem iPhone Kinofilme drehen kann, könnte selbst manch arrivierter Regisseur mal einen kreativen Schnellschuss aus der Hüfte wagen und einfach zwischen zwei Großprojekten „quick & dirty“ einen mittellangen Film drehen, so wie es auch Leute wie z.B. Spike Jonze, Michel Gondry oder Wes Anderson hin und wieder tun.
Wie ist dein persönlicher Bezug zu dem Format? Warum hast du dich entschieden, dich dafür einzusetzen?
Ich hatte gemeinsam mit Birgit Johnson und Gabriella Bandel vor 13 Jahren den Wettbewerb für Mittellange Filme beim Filmfestival Max-Ophüls-Preis aus der Taufe gehoben und war seither mitverantwortlich für die Auswahl der dort gezeigten Filme. Betrachtet man also die komplette Jahresproduktion mittellanger Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, so stellt man schnell fest, dass sie die perfekte Spielwiese für innovatives Erzählen sind. Aus diesem Format gehen jährlich großartige neue Filmemacher und mit die interessantesten Filme überhaupt hervor. Sie sind von einer enormen Erzählkraft angetrieben, sind aufregender, unabhängiger, mutiger, konsequenter, künstlerisch ambitionierter, weil sie sich keinen Konventionen unterwerfen müssen. Hier können Filmemacher ihrer Haltung treu bleiben und ihre eigene Handschrift erkennen lassen. Sie gehen Wagnisse ein, die man sich bei so manchem Langfilm wünschen würde. Sie nehmen sich die Freiheit, genau solange zu erzählen, wie es ihre Geschichte verlangt – sie kürzen nichts Wichtiges weg und ziehen nichts unnötig in die Länge. Sie haben das Zeug zum perfekten Film.
Welches Ziel verfolgt Ihr mit eurem Verein „Forum für Mittellange Filme“
Den Mittellangen Film von seinem Stiefkind-Dasein zu erlösen. Wir finden es schade, dass der mittellange Film bislang nicht den ihm gebührenden Stellenwert hat. Das mag daran liegen, dass man mit mittellangen Filmen außerhalb von Serienformaten kaum Geld verdienen kann. Diese Filme entstehen aus Leidenschaft, nicht aus kommerziellen Gründen. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass man die öffentliche Wahrnehmung mittellanger Filme fördern kann. Viele Titel gibt es bereits jetzt gratis im Internet zu sehen, aber keiner weiß es und kann daher auch keinen Gebrauch davon machen. Wir möchten regelmäßig einen bereits öffentlich gratis erhältlichen Film sowohl auf unserer Webseite als auch über unseren Social-Media-Kanal bei Facebook vorstellen und so auch neu nachwachsendem, potentiellem Publikum Lust aufs Anschauen machen, bzw. Kennern Filme wieder ins Gedächtnis rufen und so das Schaffen der Filmemacher vor dem Vergessen bewahren.
Des weiteren sehen wir in Zeiten von Subscription Video on Demand, also Anbietern wie Netflix, Amazon Prime, Maxdome und Sky Ticket, die für eine feste mtl. oder jährliche Gebühr für den Zuschauer Inhalte bereit halten, die Möglichkeit der Optimierung der Verwertung mittellanger Filme. Denn anders als beim Vertrieb über Kino oder Datenträger spielt hier die Länge eines Films aufgrund des Wegfalls der individuellen zugunsten einer allgemeinen Gebühr keine Rolle mehr. D.h. sowohl dem Anbieter als auch dem Zuschauer kann die Länge eines Films egal sein, solange Qualität und Popularität gegeben sind. Hier wollen wir bei den jeweiligen Anbietern verstärkt um die Aufnahme mittellanger Filme in ihr Angebot werben.
Was für Projekte habt ihr für die Zukunft geplant?
Neben dem bereits erwähnten Starkmachen für die Implementierung mittellanger Film-Formate bei Sendern und VoD-Plattformen, bieten wir uns auch als ehrenamtliche Kuratoren an und wollen regelmäßig Panels bei Festivals veranstalten. Dann sind wir gerade in der Planungsphase für ein erstes Festival hier in Deutschland, das sich ausschließlich dem Mittellangen Film widmet. In Frankreich und Spanien gibt es das ja schon, aber leider hierzulande noch nicht. Hier suchen wir auch noch Mitstreiter. Wer das hier also liest und sich angesprochen fühlt, der soll bitte nicht zögern uns zu kontaktieren (hello@mittellang.com).
Deine persönlichen Top Drei der Mittellangen Filme?
Das ist schwer, es sind so viele wunderbare Werke entstanden in den letzten 100 Jahren, da müsste ich schon mehr aufzählen dürfen. Würde ich unterteilen in filmhistorisch bedeutsame Filme würde ich Buster Keatons „Sherlock Jr.“, Orson Welles „Fountain of Youth“ und Kieslowskis „Dekalog“ nennen. In der Neuzeit haben mich Spike Jonzes „I’m here“, Helene Hegemanns Regiedebüt „Torpedo“ und Martin McDonaghs „Six Shooter“ nachhaltig beeindruckt.
Danke Marisa!
Wer neugierig geworden ist, oder Marisa und ihr Team gerne unterstützen möchte findet auf mittelang.com weitere ausführliche Informationen. Auch ein Blick auf die Facebook Seite von mittellang lohnt sich, dort werden regelmäßig mittellange Filme vorgestellt, die online kostenlos gestreamt werden können!