Die Highlights der 64. Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen

Oberhausen, nicht gerade bekannt für seine kulturelle Viefalt und dennoch der Ort an dem nun schon seit über 60 Jahren internationale Filmemacher*innen und Filminteressierte zusammen kommen, um die Internationalen Kurzfilmtage zu feiern. Zugegeben, das Festival mag sich mit seinen unzähligen Plakaten und wehenden Bannern in das Stadtbild integriert haben, dennoch nicht in dessen Gesellschaft. Vielmehr findet sich das Festival und seine Besucher*innen in einer Art Blase wieder, die fernab von den Bewohnern der Stadt über Kameraeinstellungen und unterschiedliche Interpretationsansätze diskutiert und sich austauscht. Das ganze, so kommt es mir jedenfalls vor, abgeschottet von der restlichen Bevölkerung. Das Festival findet zwar hauptsächlich im Kino ‚Lichtburg Palast‘ statt, welches sich genau im Zentrum der Innenstadt befindet, dennoch wird man den ein wenig bitteren, elitären und exklusiven Beigeschmack nicht los, da helfen auch Massen an süßem Popcorn nicht. Was den Eindruck untermauert ist vermutlich auch die Filmauswahl. Es beschleicht einen öfter der Eindruck: umso unzugänglicher desto besser. Sicher, Oberhausen definiert sich selbst als Experimentalfilm Festival, dennoch würde man sich im Wettbewerb ein bisschen mehr Vielfalt wünschen. Man hat das Gefühl jeder Film der ansatzweise eine Narration besitzt wird in die anderen Kategorien verbannt. Vor allem die Sektion der 14+ und 16+ Filme hat mich überzeugt und bestätigt dennoch, dass in Oberhausen in Schubladen gedacht wird. Die Hauptdarsteller*innen sind Jugendliche mit Problemen? Ein Freifahrtsschein um direkt in der Kinder- und Jugendsektion zu landen. Das ist ein wenig zu einfach. Dadurch bekommen viele Filme nicht die Aufmerksamkeit die sie verdient hätten, denn das elitäre Publikum nimmt sich seine kostbare Zeit natürlich nur für die Filme, die im internationalen Wettbewerb laufen.

Wir wollen euch unsere persönlichen Highlights vorstellen, ein bisschen Wettbewerb und mehr Kinder – und Jugendfilme +14 die uns mit ihrer Bildsprache und ihren Geschichten dort abgeholt haben, wo es viele Filme im Wettbewerb nicht geschafft haben.

Routines (Deutscher Wettbewerb)

routines_still03

Routinen, sich immer wiederholende Abläufe die Sichherheit und Vertrautheit ausstrahlen. Geplante Abläufe, die im Fall von „Routines“ den Alltag der Hauptdarstellerin und Hochspringerin Jossie bestimmten. Die erste Einstellung des Films zeigt genau das, zwei Hände die in einem bestimmtem Rhytmus umeinander her routieren. Der Zuschauer wird durch die unaufdringliche Kameraführung zum stillen Beobachter – immer nah genug dran um einen Hauch von Emotionalität mitzubekommen ohne die Routine zu stören, beispielsweise durch Close Up Aufnahmen von Jossie selbst, oder durch Dialoge, die von Eren Aksu bestimmt bewusst ausgewählt worden sind, dennoch durch ihre Ungestelltheit berühren.

Routinen mögen den einen in den Sumpf der Monotonie und Langeweile ziehen,  Aksu aber schafft es den Zuschauer auf eine fast meditative Art und Weise als Beobachter mitzunehmen, und eintauchen zu lassen, in eine Welt die berherrscht ist von Routinen. Routinen die einen vorbereiten auf diesen einen besonderen Moment, in denen sie dann letztendlich zum Nervenkitzel werden, in dem der 10.000ste Sprung über die Latte zum alles entscheidenen werden kann.

Kiem Holijanda (Kinder – und Jugenfilmwettbewerb 14+)KiemHolijanda_Still1

Ein Dorf im Kosovo, graue Ruinen, fast leere Straßen auf denen nur ein einziger Junge lang fährt, um an verlassenen Häusern anzuhalten, um dem einzigen übrigen Bewohner des Hauses für viel zu wenig Geld Milch zu verkaufen. Die ersten Einstellungen des Filmes „Kiem Holijanda“ vermitteln durch ihre Bildsprache genau das, was die Bewohner empfinden. Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und dennoch die Verbundenheit zu ihrem Land, dass sie daran hindert Richtung Westen ihr Glück zu suchen. In nur 14 Minuten schafft es Regisseurin Sarah Veltmeyer die Beziehung der Brüder Andi und Florist einzufangen. Eine Beziehung die geprägt ist von den typischen Sticheleien zweier pubertriender Geschwister, die sich dennoch durch einen Innigkeit auszeichnet, die bei dem Zuschauer für Gänsehautmomente und eventuell auch für die ein oder andere Träne sorgt, wenn klar wird, dass die Brüder getrennte Wege gehen werden. Durch die bewusste Entscheidung zwei männliche Darsteller zu wählen, die auch im wirklichen Leben Brüder sind entsteht eine Magie zwischen beiden Hauptdarstellern, die nicht gespielt sondern ehrlich authentisch ist.

„Kiem Holijanda“ überzeugte schon auf der Berlinale und schafft es alltägliche Dialoge und Gesten zu einer emotionalen Achterbahn werden zu lassen, greift aber gleichzeitig aktuelle Thematiken auf, und lenkt den Fokus auf ein Land, was vom Westen sich selbst überlassen wurde.

Carlotta’s Face (Kinder – und Jugenfilmwettbewerb 14+)Bildschirmfoto 2018-05-22 um 16.52.36

„Es ist für mich völlig irrelevant wo die Augen sitzen, ob es zwei Nasen gibt, der Mund völlig fehlt… Das spielt für mich keine Rolle“, ertönt es aus dem Off während sich auf der Leinwand aus schwarz, weißen Wellen eine menschenähnliche Gestalt mit roten Blütenkopf herauskristalisiert. Das erste Gefühl von Sympathie für die Sprecherin, welche den Anschein erweckt sich viel mehr für den Kern eines Menschen zu interssieren als dessen Oberfläche, weicht dem Mitgefühl, welches sich in einem breitmacht desto mehr man in Carlotta’s Geschichte eintaucht. Carlotta ist Gesichterblind, Menschen erkennt sie anhand ihrer Stimme oder ihres Gangens, den sie sich als Merkmal für die jeweiligen Personen abspeichert. In dem animierten Kurzfilm erzählt Carlotta selber über ihre Kindheit, über ihre Zeit in der Schule welche geprägt war durch Ausgrenzung und Unverständnis und vor allem von dem Gefühl nicht dazu zugehören. Erst mit Anfang 30 stolpert Carlotta über einen Artikel in einer Apotheken Zeitschrift, der ihrem Gefühl des Anderssein einen Namen gibt. Carlottas Schicksal reißt mit und wird von der in sich stimmigen Animation von Frédéric Schuld in einen Rahmen gesetzt. Die reduzierte Farbgebung lässt es zu, dass der Zuschauer sich auf das Wesentliche konzentriert, und gleichzeitig durch die abstarkte Verbildlichung Carlottas Worte ein Gefühl für eine Welt bekommt, in der die Oberfläche keine Rolle spielt.

Ce qui nous tient (Kinder – und Jugenfilmwettbewerb 14+)

ce-qui-nous-tient_1

Frankreich, Normandie, ein trister Herbst Tag wird gezeichnet durch den Regisseur Yann Chemin, der mit „Ce qui nous tient“ sein Film Debüt gibt. Erzählt wird die Geschichte einer Familie, in der jeder für sich alleine versucht einen schweren Schicksalsschlag zu verabeiten – durch Ablenkung und Verdrängung, oder durch tägliche Konfrontation, jeder auf seine eigene Art isoliert von dem anderen. Inspirert durch Chemins eigene familiäre Erfahrungen, wird die Geschichte aus dem Blickwinkel des 15-jähirgen Alex erzählt, der übers Wochenende aus dem Internat nach Hause kommt und sich alleine gelassen fühlt. Sogar für den Haushund muss er den Beifahrersitz räumen, als er am Busbahnhof von seiner Mutter abgeholt wird, um sich danach von seiner Oma anhören zu müssen, dass der Hund der einzige Grund sei, warum sie überhaupt noch am Leben ist. Überzeugend ist neben der enormen Bildsprache vor allem der Auftritt des Hauptdarstellers. Chemin hat sich erst für ein spezielles Dorf entschieden, um dann unter den Dorf Bewohnern auf die Suche nach Darstellern zu gehen, diese Authenzität ist förmlich zu spühren und gehört mit zu den absoluten Stärken des Films.

„Ce qui nous tient“ ist ein Film der berührt, der einen abholt und mit seiner Trauer und Trostlosigkeit fest in den Bann zieht. Ein Film der ein Bild einer Familie zeichnet die wieder zu sich finden muss, und eines Tennagers der nach seinem neuen Platz in dieser suchen muss.

 

 

Leave A Reply

Navigate