Vivienne Westwood ist Provokateurin, Aktivistin und Künstlerin – und all das drückt sie durch Mode aus. Als eine der erfolgreichsten Designerinnen der Welt nutzt sie ihre Stimme, um etwas zu verändern, und verbreitet ihre Botschaft auf Laufstegen. Das unterscheidet sie von anderen. Für mich ist sie Inspiration und eine Erinnerung daran, nicht die Augen vor den Problemen dieser Welt zu verschließen. Deshalb möchte ich hier über ihre Arbeit schreiben, die so wichtig ist.
Vivienne Westwood wurde am 8. April 1941 in Glossop, Derbyshire geboren. Mit 17 begann sie in London Modedesign zu studieren, brach das Studium jedoch sehr schnell wieder ab, und wurde stattdessen Lehrerin. 1971 eröffnete sie mit ihrem Freund Melcom McLaren ihr erstes Geschäft, in dem sie ihre entworfene Kleidung verkaufte. Als McLaren 1974 Manager der Band „New York Dolls“ wurde und ein Jahr später für die „Sex Pistols“ arbeitete, designte Westwood die Bühnenoutfits und wurde so als „Queen of Punk“ berühmt, weil sie als Erste die Elemente der Punkbewegung in den Mainstream übertrug. Deshalb gilt sei auch als Begründerin der Punkmode. Seit ihrer ersten Fashionshow 1981 etablierte sich Westwood fest in der Modewelt, unter andrem mit den Kollektionen „Pirates“, „Savage“, „Buffalo Girls“ und „Clint Eastwood“. In den darauffolgenden Jahren gelang ihr so der Aufstieg zu einer der gefragtesten Designerinnen der Welt. 1990 und 1991 wurde sie als „British Designer of the Year“ geehrt. Sie ist Mutter von zwei Söhnen und mit dem 25 Jahre jüngerem Österreicher und Co-Designer Andreas Kronthaler verheiratet.
Vivienne Westwood engagiert sich sehr stark politisch. So gestaltete sie 2008 das Cover des Magazines „Dazed“, auf dem ein Kind und der Spruch „Get a Life“ zu sehen waren. Sie machte sie in den Artikel auf diverse globale Probleme wie den steigenden Wasserspiegel, soziale Ungerechtigkeit und Propaganda aufmerksam und erklärte, dass wir alle „Freedom Fighter“ seinen sollten. Ein Plakat mit der Aufschrift „Vote Green“ war der Aufmacher ihrer „Red Label AW15 Show“ und prangerte die ungerechte Machtverteilung der Welt an. Eine Anspielung auf die Partei „Green Party“, der sie 300.000 Pounds spendete. Ein anders Mal drehte sie ein Video mit der Tierschutzorganisation „Peeta“, in der sie über Veganismus sprach. 2005 entstand eines ihrer berühmtesten T-Shirts. „I´m not a terrorist, please don´t arrest me“ steht in Kinderschrift neben einem Herz und war die Reaktion auf den Mord an Jean Charles Menezes, der bei einem Anti-Terror Einsatz der britischen Polizei erschossen wurde. Die Liste ihres Aktivismus ist lang. Vivienne Westwood setzt sich gegen -so scheint- es alle Ungerechtigkeit dieser Welt ein. Dafür erhielt 1992 den Bundesverdienstorden „Order of the British Empire“.
Eines der berühmtesten Fotos von Vivienne zeigt sie, noch ziemlich jung, in einem Shirt mit dem Aufdruck „Destroy“. Es ist die Queen of Punk. Nun ist sie 77 und vielleicht immer noch Punk im Herzen. Doch ihr Motto hat sich von „Zerstören“ zu „Climate Revolution“ geändert. Ihr Engagement für die Umwelt ist wohl ihr größtes Projekt, ihr Lebenswerk. „Ich sagte zu Andreas, ich würde gerne noch länger leben, weil ich finde, dass die Klimarevolution so wichtig ist, und ich würde wirklich gerne sehen, was passiert. Wenn ich noch 20 Jahre lebe, werde ich definitiv wissen, ob wir es geschafft haben, etwas zu unternehmen, oder ob wir geliefert sind. Wirklich, ich werde das wissen, und ich will es wissen“, äußerte sie sich gegenüber der britischen Zeitung „The Telegraph“. 2015 fuhr sie mit einem Panzer vor dem Haus des ehemaligen britischen Premierminister David Cameron vor, um gegen Fracking, eine Methode, um Erdgas zu gewinnen, die jedoch das Grundwasser verschmutzt, zu demonstrieren. Zu „Dazed“ sagte sie: „Die Klima Revolution ist die ultimative Revolution, wenn wir nicht gewinnen, werden nicht viele von uns übrig bleiben.“
Ihr Aktivismus spiegelt sich auch deutlich in ihren Designs ab: T-Shirts und Pullover mit Aufschriften wie „Dont´t get killed“, „Climate Revolution“, „+5°“ und selbstgemalten Sonnen. Doch haben sie nicht ihren typischen Westwood Charakter verloren. Die Kleidungsstücke sind immer noch provozierend und nicht gerade schlicht. Der Punk in ihr ist noch da. 2012 während der Abschlusszeremonie der Paralympics, bei der sie für die Klima Revolution kämpft, tritt sie mit aufgemaltem Schnurrbart, Plateauschuhen, Boxershorts und ihrem Climate Revolution T-Shirt auf.
Gefühl, dass ihr Mode eigentlich nicht wichtig ist, dass sie eher zufällig das Medium ist, dass sie wählte, um sich auszudrücken. „Ich mache Mode, weil man ja irgendwas anziehen muss“, sagte sie einmal. Andererseits sieht sie im Ausdruck von Persönlichkeit durch Kleidung die Rebellion, die sie sich von allen wünscht. Für Vivienne Westwood zählt Qualität, nicht Quantität. Als ich das erste Mal von ihr hörte, war ich begeistert. Ich, die schon immer eine Schwäche für Punk hatte, liebe ihre Designs: ein klassisches Grundgerüst, doch der Punk Twist und die -wie ich finde- Barocknote vereinen sich auf eine sehr widersprüchliche, aber einzigartige Weise zu einem ganz besonderen Stil. Ihre Designs spiegeln sie selbst so sehr wieder, wie es nur bei wenigen Künstlern der Fall ist. Für mich ist die Motivation, aus meinem Leben etwas zu machen und Quelle der Inspiration. Zwar besitze ich als unbezahlte Praktikantin keine Westwood-Teile, jedoch beeinflussen ihre Designs meinen Style und meinen Modebegriff. Ich habe mich immer für Fashion interessiert, für die Kunst dahinter. Und außerdem bewundere ich Menschen, die ihre Meinung äußern, dazu stehen, dafür kämpfen. Und das alles aufrichtig. Nicht um irgendjemanden zu beeindrucken oder etwas zu beweisen. Das sind die wahren Rebellen, und die einzigen, die wirklich etwas verändern werden. Vivienne Westwood gehört zu ihnen. Sie war es, die Punkrockfashion begründete und sie ist es, die für eine gerechtere Welt kämpft. Wir sollten alle versuchen, den Vivienne Teil in uns zu finden.
Ein Artikel von Amie Nieding