GehSehen – Haus der Kunst: Blind Faith

Was kann Kunst heute eigentlich noch sein? Nach dem Impressionismus, dem Expressionismus, der Konzeptkunst, der Moderne, der Post-Moderne, ja, nach dem zeitgenössischen, das wir uns nun auch schon seit Jahrzehnten ansehen?

Ich glaube, sie kann noch immer überraschen. Vor allem dann, wenn sie uns mit voller Wucht empfängt. Wenn sie sich ins Leben einmischt und raumgreifend wird. Wenn sie über sich selbst hinauswächst. Wenn sie an unseren Grundfesten rührt und damit die Tür einen Spalt breit öffnet für die Zukunft. Für eine Zukunft in der Körper und Geist vermutlich neu zu definieren sein werden.

Wer sich derzeit im Münchner Haus der Kunst einfindet, stolpert in der Ausstellung Blind Faith regelrecht über eine solche Kunst, über Arbeiten die nicht nur betrachtet werden wollen, sondern sich dem Besucher mutig in den Weg stellen. So lassen uns die in rotes Licht getauchten Räume der Künstlerin Mariechen Danz in ganze Körper eindringen, wo  wir Gedanken und Organen auf Augenhöhe begegnen.

Aber was ist so ein Körper heute noch? Und wie sieht er in Zukunft aus? Die amerikanische Künstlerin Cécile B. Evans hat es sich mit ihrer Installation Sprung a Leak mit der Auswirkung allgegenwärtiger Technologien auf unsere Vorstellung von Leben und Körper auseinandergesetzt. Und dadurch wird es möglich, dass sich der Roboterhund in eine Beautybloggerin verliebt und wir uns fragen, inwieweit menschliche Emotionen und volltechnisierte Körper eine Symbiose bilden können.

Insgesamt zeigt die Ausstellung  Blind Faith Arbeiten von 28 international aufstrebenden Künstlern, die mit neuen Perspektiven und Herangehensweisen erforschen, was Körper und Geist in einer Zeit bedeuten, in der die bekannten Fakten langsam – beim Denken – zu zerbröseln scheinen. Es geht um Wahrnehmung und Wahrhaftigkeit. Und so schieben sich uns Quader in den Weg, sprießen Brüste aus Weltkarten und stehen Königsthrone im Raum, die an Folterinstrumente erinnern. Im Idealfall ist es das, was uns eine Ausstellung heute noch neues bieten kann: offene Fragen, Verwirrung und ein Erlebnis.

Bilder: (Titel) Olga Balema, Mothers Nature, 2016 – (1) Installationsübersicht – (2) Otobong Nkanga, The Weight of Scars, 2015 – (3) + (4) Mariechen Danz, WOMB TOMB, 2011-2018 – (5) Cécile B. Evans, Sprung a Leak, 2016 – (6) + (7) Raphael Sbrzesny, Principal Boy 2017-2018 – (8) David Zink Yi & Angie Kiefer, Being the Measure, 2016-2018 – (9) Teresa Solar Abboud, Everything is OK, 2017

 

 

 

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