DownUnder – 5 Bücher für die U-Bahn

Wir alle verbringen unglaublich viel Zeit in den Untergründen Berlins. Pendeln zwischen den eigenen vier Wänden und der Arbeit. Hetzen zu Essensverabredung irgendwo in Kreuzberg, um dann spät Nachts ein wenig beschwipst aus Friedrichshain wieder nach Hause zu fahren. Dabei werden wir der vollen Reizüberflutung ausgesetzt – von den Wänden lachen uns Werbungen für neue Banken an die #nullbullshit versprechen, während oben drüber für die neusten private Medien Universität geworben wird, gleich neben dem Werbeplakat eines Altersheim, was mit vielversprechenden, älteren, lachenden Menschen wirbt. Man kann sich indirekt einmal quer durch unterschiedlichste Werbestrategien lesen. Gleichzeitig flackert das BVG Fenster vor sich hin, so weit es denn funktioniert. Wer Morgens dann aber die Wahl hat zwischen dem 500 Seiten Schinken, der langsam aber sicher auf dem Nachtisch verstaubt, oder einer Tasche, die zumindest ein paar Gramm weniger wiegt, entscheidet sich meist für zweiteres. Deswegen haben wir uns quer gelesen, haben alle Umstände beachtet, um euch nun unsere fünf ultimativen U-Bahn Leseempfehlungen zu geben. Bücher, die in jede Tasche passen, und die man gut und schnell auf Tage verteilt in der U-Bahn durchlesen kann.

1. Wovon wir träumten

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Der Roman „Wovon wir träumten“ (Buddah in the Attic im Original) nimmt uns mit in die 1920er der USA. Im Mittelpunkt stehen ein Dutzend japanischer Frauen, welche auf dem Seeweg in die USA auswandern, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie werden mit Fotos und Briefen ihrer zukünftigen Männer gelockt, welche ihnen schon im Vorhinein zugeteilt wurden. Sie schlafen in kleinen Kabinen, werden zur Arbeit auf dem Schiff gezwungen, bevor sie nach einer wochenlangen Reise auf ihre Männer treffen – japanische Einwanderer. Ab diesem Moment beginnt für jede Einzelne von ihnen ein individueller Schicksalsweg. Die Autorin Julie Otsuka allerdings bedient sich einer ungewöhnlichen Erzählform, die Pluralform zieht sich wie in roter Faden durch das Buch. Keine Frau wird beim Namen genannt, alle Erlebnisse werden aus der Sicht des undefinierten Wirs beschrieben. Dadurch erzeugt Julie Otsuka sowohl ein höhres Identifikationspotenzial bei Lesern*innen, untermauert gleichzeitig wie wenig die Frauen als einzige Individuen wahrgenommen werden, sondern objektiviert werden. Umrahmt wir die ganze Geschichte von einem historisch und geschichtlich wichtigen Ereignis, dem Angriff auf Pearl Haber, welcher die Intenierung japanisch stämmiger Amerikaner*innen zur Folge hatte.

Wer sich von einer ungewöhnlichen Art des Erzählens mitreißen will und gleichzeitig mehr über die Hintergründe japanischer Migranten*Innen in den 20 Jahren erfahren will, für den ist „Wovon wir träumten“ genau das richtige, die 144 Seiten lesen sich wie Poesie und beschweren höchstens das Herz, nicht die Tasche.

2. Unter Null Bret-Easton-Ellis+Unter-Null

Es gibt bestimmt Leute, die brauchen für das Erstlingswerk von Bret Easton Ellis die gesamte Strecke der U7 von Spandau bis Rudow, bis sie ansatzweise was mit dem Buch anfangen können. Ellis Schreibstil ist anstrengend, kräftezehrend und satirisch meisterlich zu gleich. Der Leser wird rein geschmissen in den Alltag eines reichen, blonden Südstaatlers namens Clay, welcher nach seinen ersten Monaten am College seine Freunde und Familie zu Weihnachten besucht. Ellis verschriftlicht nicht nur Clay’s innere Konflikte und versinnbildlicht die Abgestumpftheit der Upper Class im Allgemeinen, sondern zeichnet gleichzeitig auch ein naturalistisches und bedrückendes Bild der 80er in Los Angeles und dem Aufkommen der chemischen Drogen. Wer nach einem Höhepunkt in „Unter Null“ sucht wird enttäuscht sein, viel mehr punktet der Gesamteindruck mit dem das Buch einen zurücklässt: Eine Mischung aus Abgestumpftheit, Monotonie, gemischt mit dem Bedürfnis nach wahren Emotionen, genau die Gefühle die Clay und seine Freunde beherrschen.

3. Oh Simone! Warum wir Beauvoir wiederentdecken sollten

Viele kennen sie nur als die Weggefährtin von Satre oder allenfalls ihr Werk“Das andere Geschlecht“, dennoch steht sie bis Heute im Schatten des großen Jean-Paul Satre. Doch Simone de Beavoir war viel mehr als nur Geliebte, sie war Querdenkerin, Philosophin und Feministin. Hat mehrere Heiratsanträge Satres abgelehnt, sich ausschließlich in Form eines Paktes an ihn gebunden und in ihrem Leben viel gesehen, viele unterschiedlichen Menschen geliebt und viel gedacht. Das alles versucht Julia Kobrick in einem unglaublich erfrischendem Schreibstil in „Oh Simone!“ dem/der Leser*in Näher zu bringen. Chronologisch führt sie durch das Leben der Simone de Beauvoir, berichtet von ihrem Bruch mit dem bourgeoisen Lebensstil, ihrem ersten Date mit Satre und ihrer Affäre mit dem Schriftsteller Nelson Algren. In Form kleiner Steckbriefe werden die wichtigsten Wegbegleiter*innen Beauvoirs in die chronologische Erzählung mit eingebaut. Zusätzlich gibt Korbrick Einblicke in die wichtigsten Werke Beauvoirs.

„Oh Simone!“ ist fast schon eine Hommage, persönlich, erfrischend. Man wird verzaubert von der Französin und möchte danach weiter eintauchen in die Welt Beauvoirs und verpasst beim vertieften Lesen durchaus mal die richtige Station.

4. Farm der Tiere 

George-Orwell+Farm-der-Tiere

Wer mal wieder während der Rush Hour keinen Sitzplatz in der U1 ergattert hat, der hat hoffentlich Farm der Tiere“ in der Hand und flüchtet sich in das Märchen der anderen Art. Hier geht es um Mensch gegen Tier, irgendwo in England. In George Orwells Farm der Tiere vertreiben die Tiere einer Farm ihren Besitzer und bilden damit die Grundlage dafür, selbst die Herrschaft unter sich ausmachen zu können mit dem Ziel der Ausbeutung der Tiere durch die Menschen ein Ende setzen. Es geht um Schweine, die sich weiterbilden und sich durch ihre Bildung Machtposition aneignen. Es geht um den Versuch von Solidarität und Gemeinschaft und den gescheiterten Versuch einer Revolution. Farm der Tiere bietet viel Raum für Interpretation und verliert auch mehr als 70 Jahre nach seiner Veröffentlichungen nicht an Aktualität.

4. We all should be Feminists 

Chimamanda Ngozi Adichie erregte 2012 vor allem durch ihren TEDx-Talk Aufmerksamkeit. Das Video von dem TEDx-Talk wurde auf YouTube inzwischen schon hunderttausendmal geklickt. „We should all be Feminists“ ist ein Essay und die Verschriftlichung ihres damaligen Ted-Talks. Adichie erzählt persönliche Anekdoten, während sie gleichzeitig Analyse betreibt warum, wieso, weshalb es ihrer Meinung wichtig ist, Feministin zu sein. Sie hinterfragt geschichtlich und gesellschaftlich konzipierte Strukturen und wirft Fragen auf. Sie gibt aber auch Antworten, zum Beispiel warum ihrer Meinung nach jeder Feminist*in sein sollte. Durch klare Strukturen und viel Persönlichkeit erweckt Adichie in jedem das Bedürfnis nach Gerechtigkeit.

Das Taschenbuch passt mit nur 64 Seiten in jede herkömmliche Hosentasche und wird so hoffentlich euer treuer Begleiter für die nächste Kurzstreckenfahrt.

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