Meer, Kunst und gutes Essen. Dazu Boote, Architektur und Eis zwischen Kanälen, Kultur und Wein. Es gibt sie, diese Momente in denen man sich ganz sicher ist, dass man das richtige macht mit seinem Leben und der angebliche Beruf nur ein großes Geschenk an einen selbst darstellt. So hatte ich letzte Woche das große Glück mir einen lang gehegten Traum zu erfüllen und die Architektur Biennale in Venedig zu besuchen. Natürlich rein beruflich. Es handelte sich um eine Recherchereise für meinen Dokumentarfilm mit dem Arbeitstitel ‚Zwischen Welten‘. Eine der Protagonistinnen ist Architektin und war geladen um ihre Arbeit vorzustellen. Und so durften wir bereits am Abend vor der Eröffnung einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Venedig ist ein Traumort, im wahrsten Sinne des Wortes, der an Unwirklichkeit kaum zu überbieten ist. Ein Ort im Meer und nur über das Wasser zu erreichen und zugleich vollgestopft mit den unglaublichsten Kulturschätzen und Kunstwerken. Jedes Jahr ist Biennale und Menschen aus aller Welt sind eingeladen sich zu beteiligen. Abgedeckt wird im Wechsel fast jede Form des kreativen Schaffens: bildende Kunst, Tanz, Film, Musik, Theater und eben auch Architektur.
Der Giardini mit seinen Länderpavillons ist ganz speziell und irgendwie magisch. Zwischen dem grün der Bäume und Wiesen sitzen Leute auf Liegen sowie dem Boden und diskutieren. Sie stehen vor Länderpavillions und fragen sich bei Weißwein und Zigarette wie sich die Zukunft gestalten ließe. Wir kennen das von Film Festivals. Die kulturelle Elite trifft sich zum Austausch. Elegant und auffällig. Die Schuhe haben Neon-Anteile, überall finden sich grafische Muster, die Ohrringe blitzen außergewöhnlich. Alles ist besonders, besonders individuell und gleichzeitig ein Schaulaufen für die Trends der nächsten Jahre. Das gilt auch für die Pavillons. Der Neon-Schriftzug bei den Spaniern. Der reflektierende Spiegel-Boden bei den Österreichern. Die pneumatischen Kugeln bei den Nordischen Ländern. Das Entdecken macht Spaß. Wie viel mehr dahinter steckt, war für mich in der Kürze der Zeit nicht zu erfassen. Spannend war es in jedem Fall.
Interessante Projekte fanden wir auch im Arsenale, wobei hier hauptsächlich Modelle gezeigt wurden und begehbare Kleinstgebäude. Renommierte Namen wie Peter Zumthor oder Sauerbruch Hutton aus Berlin waren eingeladen sich mit dem diesjährigen Thema FREESPACE zu beschäftigen. Ungewöhnlich fand ich hier die Arbeit von Rozana Montiel, einer Architektin aus Mexiko, denn sie blickt hinter die Fassade. Man kann bei ihr sehen, was draußen so abgeht. In Echtzeit per Videoübertragung. Eine Metaebene, die einen mal kurz vom feiern des eigenen Modells ablenkte, das hier viele in den Mittelpunkt stellen.
Auch unsere Protagonistin Anna Heringer zeigt ihre Arbeit ‚This is not just a shirt‘ im Arsenale. Ein Textilprojekt und vielleicht eine der ungewöhnlichsten Annäherungen an das Thema FREESPACE. Mehr dazu lest ihr nächste Woche im Interview mit ihr.
Ich muss zugeben, dass ich bei der Biennale eher Möglichkeiten entdeckte und mich an Ihnen erfreute, als eine Herausforderung, die ich annehmen muss. Dafür hätte ich vielleicht auch mehr Zeit gebraucht. Auf mich wirkte alles zusammen wie ein Brainstorming, das eine inspirierende Wirkung hat, aber wenige Forderungen stellt. Gleichzeitig freute ich mich, dass viel mehr Frauen ihre Arbeiten zeigen konnten, als bisher üblich und die Grenzen zur Kunst verschwammen. Ich finde es gibt Schlimmeres als eine Stoffsammlung die frei assoziierend durch einen Wald von Optionen mäandert. Hinfahren lohnt sich, vor allem, wenn man noch nie dort war. Und man sollte auf keinen Fall verpassen auch Venedig zu genießen. Ich bin jedenfalls voller neuer Ideen und bereichert nach Berlin zurückgekehrt.